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Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verbraucherrecht und Privatrecht sowie Rechtsvergleichung – Prof. Dr. Schmidt-Kessel

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Die zivilprozessuale Durchsetzung von Unionsrecht - Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten?

DFG-Projekt: Die zivilprozessuale Durchsetzung von Unionsrecht - Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten?
Das von der DFG geförderte Projekt wird von Dr. Malte Kramme durchgeführt.
Projektbeginn: Oktober 2018
Laufzeit: 3 Jahre

Projektbeschreibung
Das von der DFG geförderte Projekt widmet sich einer im Zivilverfahrensrecht immer wichtiger werdenden Thematik, die aber bislang nur sehr unzureichend untersucht worden ist, der zivilprozessualen Durchsetzung des Rechts der Europäischen Union. Anders als in wichtigen Teilen das materielle Recht, etwa zum Verbraucherschutz, ist das Zivilprozessrecht allenfalls in Randbereichen (etwa Prozesskostenhilfe) unionsweit harmonisiert. Durch EU-Recht gewährte Rechtspositionen werden daher vor den Gerichten der Mitgliedstaaten mithilfe der jeweils anwendbaren nationalen Prozessrechte durchgesetzt. Diese können höchst unterschiedlich ausgestaltet sein und die durch sie durchzusetzenden Rechte mitunter sogar beschränken. So weisen die Prozessrechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten den Zivilrichtern eine eher passive Rolle zu, die dazu führen kann, dass europäische Verbraucherschutzstandards (wie z. B. das Widerrufsrecht bei Internetbestellungen, also Fernabsatzverträgen) im Prozess unberücksichtigt bleiben, wenn sich der Verbraucher – etwa aus Unwissenheit – nicht auf sie beruft. Dadurch geraten die betroffenen Rechtspositionen des EU-Rechts (etwa das Widerrufsrecht des Verbrauchers) mit den prozessualen Regeln der Mitgliedstaaten in Konflikt. Ist der EuGH mit der Entscheidung derartiger Konfliktlagen befasst, beschränkt er die mitgliedstaatliche Autonomie des Zivilprozesses in einer Vielzahl seiner Entscheidungen durch zwei Kriterien: Die Durchsetzung von Unionsrecht darf sich erstens nicht ungünstiger gestalten als die Durchsetzung von Rechten, die das mitgliedstaatliche Recht gewährt (Äquivalenzgrundsatz) und darf zweitens nicht übermäßig erschwert werden (Effektivitätsgrundsatz). Diese Kriterien erweisen sich aber in ihrer Anwendung auf zivilprozessuale Fälle als noch nicht hinreichend gefestigt, so dass die Kasuistik ein Bild von Einzelfallentscheidungen vermittelt, deren Zusammenhänge sich nicht ohne weiteres erschließen. Diese Rechtsunsicherheit hängt eng mit der fehlenden Vergewisserung über die Ursachen derartiger Konflikte zusammen: Sind diese (nur) Ausdruck der unvermeidlichen Reibung beim Ineinandergreifen von materiellem Recht und Verfahrensrecht in einem Mehrebenensystem? Oder liegt ihnen ein abweichendes Verständnis von der Funktion des Zivilprozesses zugrunde, weil aus Perspektive des nationalen Rechts die Konfliktlösung im Interesse der Parteien im Vordergrund steht, während aus unionsrechtlicher Perspektive die Förderung von Sachzielen im Gemeinwohlinteresse daneben tritt?

Diese Frage soll eine Analyse von Verfahrensregeln des nationalen Rechts und des Unionsrechts zu drei prozessualen Themenbereichen beantworten. Dazu kommt ein eigens für das Projekt entwickeltes Analysemodell zum Einsatz. Ausgehend von dem erzielten Befund soll anschließend anhand normativer Kriterien ein unionsrechtliches Leitbild zu Funktionen des Zivilprozesses entworfen werden, das insbesondere die Konfliktlösungsfunktion im Parteiinteresse mit der Steuerungsfunktion in Ausgleich bringt. Auf dieser Basis sollen Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz präzisiert und mit spezifisch zivilprozessualem Leben gefüllt werden. Gelingt das, kann damit ein Beitrag zum europäischen Zivilverfahrensrecht geleistet werden, der Gerichten die Entscheidungsfindung in künftig auftretenden Grenzfällen erleichtern und zur besseren Vorhersehbarkeit von Entscheidungen derartiger Konfliktfälle führen kann. Der Prozessrechtswissenschaft und schließlich auch dem europäischen Gesetzgeber verspricht die erfolgreiche Durchführung des Projekts eine Grundlegung für künftige Projekte zur schrittweisen Harmonisierung des Zivilprozessrechts.

Projektbezogene Publikationen

  • Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten im Zivilverfahrensrecht – Grundsatz des Unionsrechts oder Phantom?, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2016, S. 407-443, Nomos 2017
  • Auswirkungen der Verordnung über elektronische Identifizierung (910/2014/EU) auf das Beweisrecht am Beispiel des deutschen Zivilverfahrens, Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (GPR) 2016, S. 60-65
  • Zulässige Zulässigkeitsvoraussetzung: Zum Verhältnis von Alternativer Streitbeilegung zu Gerichtsverfahren, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 14. Juni 2017, C-75/16 – Menini und Rampanelli, Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (GPR) 2018, S. 83-86
  • Südtiroler Sprachenprivileg für Zivilprozesse gilt auch für EU-Bürger ohne Wohnsitz in Südtirol!, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 27. März 2014, C-322/13 – Grauel Rüffer ./. Pokorná, Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (GPR) 2014, S. 228-230
  • Stress test of the European law of consumer jurisdiction: Coherence of the existing rules and their impact on the level of consumer protection, in: Schmidt / Esplugues / Arenas (Hrsg.), EU law after the financial crisis; S. 147-159, Cambridge 2016
  • Kooperation, nein danke! – der EuGH untermauert seinen Führungsanspruch gegenüber den nationalen Verfassungsgerichten, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 11. September 2014, Rs. C 112/13 – „A gegen B u.a.“, Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union (GPR) 2014, S. 355-358

Projektbezogene Vorträge

  • „Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten im Zivilverfahrensrecht - Rechtsgrundsatz oder Phantom", Vortrag im Rahmen der 27. Jahrestagung der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler „Perspektiven einer europäischen Privatrechtswissenschaft" vom 14. bis 17. September 2016 in München
  • „Procedural autonomy of the Member States and the EU-Regulation on electronic identification", Vortrag im Rahmen des „Workshop on the Regulation (EU) No 910/2014 on electronic identification and trust services for electronic transactions in the internal" am 25. November 2016 an der Westfälischen-Wilhelms- Universität Münster
  • „Auswirkungen der eIDAS-VO auf das Beweisrecht am Beispiel des deutschen Zivilverfahrens", Vortrag im Rahmen des 4. gemeinsamen Seminars zum deutschen und italienischen Recht der Universitäten Verona und Bayreuth vom 2. bis zum 4. November 2016 an der Universität Bayreuth
  • Verbraucherschutz im Zivilprozess – Verschränkungen von materiellem Unionsrecht und nationalem Verfahrensrecht", Vortrag im Rahmen des 3. gemeinsamen Workshops „Der Mensch als Bürger und Konsument“ der Adam- Mickiewicz Universität Posen und der Universität Bayreuth vom 31.5.-1.6.2016
  • „Influence of the jurisdiction over consumer contracts on the consumer protection", Vortrag im Rahmen der Tagung „Testing the stress of the EU: EU law after the financial crisis“, Escuela Diplomática, Madrid, 8. Mai 2015
  • „Neue Perspektiven der internationalen Gerichtszuständigkeit in Verbrauchersachen", Vortrag im Rahmen der Tagung „Konsument in der Europäischen Union – neue Herausforderungen und Perspektiven“, Adam- Mickiewicz Universität Posen, 22.-25. April 2015

Verantwortlich für die Redaktion: Petra Kroll

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